Steinhuder Aale
Alle Aale, die im Steinhuder Meer gefangen werden, sind in dem ca. 6000 Meter tiefen Saragassomeer geboren. Nach der Geburt sehen sie aus wie Larven, haben die Form eines Weidenblattes und sind richtig ein wenig eierig. Durch den Golfstrom getrieben, erreichen sie nach ca. 2-3 Jahren die europäische Küste.
Auf dieser beschwerlichen Wanderung haben die kleinen Aallarven ihr Aussehen und ihre Form verändert. Nun nennt man sie Glasaal. Sie sind völlig durchsichtig, so dass man ihre Gräten und innere Organe erkennen kann. Nun kann der kleine Glasaal in die elterlichen Flüsse aufsteigen. Über die Weser und den bei Nienburg mündenden Meerbach erreichen sie schließlich das Steinhuder Meer. Hier benötigt der Aal jetzt noch ca. 8-12 Jahre, bis er ein Gewicht von ca. 500 Gramm erreicht hat.
Der größte Aal, der je im Steinhuder Meer gefangen wurde, wog 9,5 Pfund, war also ungefähr 95 Jahre alt plus der 2-3 Jahre auf der Wanderung. Dieses Wachstum dauert so lange, weil der Aal eine Wassertemperatur von 12 Grad benötigt, um regelmäßig fressen zu können. Ist die Temperatur unter 10 Grad gefallen, beginnen die Aale sich im moorigen Boden und unter schwimmenden Wiesen zu vergraben. Dort halten sie ihren Winterschlaf ohne Nahrungsaufnahme und bei geringen Gewichtsverlust. Steigt nach dem Winter nun langsam wieder die Wassertemperatur, werden die Aale wieder munter und beginnen wieder mit der Nahrungsaufnahme. Kleine Fische dienen ihnen hauptsächlich zur Ernährung. Sie schlafen im Winter und fressen im Sommer, solange bis der Aal ausgewachsen und geschlechtsreif ist. Dieser sogenannte Blankaal muss nun zum Ablaichen zurück in das Saragassomeer. Doch da haben die Steinhuder Fischer etwas dagegen („Sich bei uns dick und fett fressen und dann wieder abhauen, das geht nicht so leicht“). Rings um das Steinhuder Meer sind Reusen in langen Reihen auf-gestellt. Der Fang landet dann in den Vorrats-becken und wird dort solange aufbewahrt, bis er geräuchert werden soll. Ist es nun soweit, wird der Aal aus den Becken gekäschert, von Hand geschlachtet und danach abgewaschen. Er wird mit ganz nor-malem Speisesalz über Nacht leicht ge-salzen und die Salzreste werden am nächsten Morgen von der Haut gewaschen. Nun wird der Aal auf Stangen gesteckt und mit einem Haken an der Stange zusätzlich befestigt („damit das gute Stück nicht herunter fällt“). Jetzt ist es soweit, dass der Aal in den Räucherofen kommt. Über Buchenholz bei einer Temperatur von ca. 60 – 80 Grad wird der Aal 2 – 3 Stunden geräuchert, bis er gar ist. Sofort nach dem langsamen Abkühlen kommt er in den Verkaufsraum. Als Delikatesse verlässt er nun die Aalräucherei. Die Aale, die nicht gefangen werden, versuchen über den Meerbach die Weser zurück in das Saragassomeer zu gelangen, um dort wieder abzulaichen und für Nachschub zu sorgen.
Text: Heinz Schweer